ENGLISCHUNTERRICHT AUF ZEICHENSPRACHE
- jacqueline1909
- Apr 26, 2015
- 2 min read

Hast du jemals versucht eine Sprache zu erlernen ohne sie hören oder sprechen zu können? Ich nicht. Meine SchülerInnen hingegen lernen tagtäglich auf diese Weise.
Auch wenn der Titel schon jetzt für einige paradox klingt, möchte ich noch etwas tiefer greifen. Wer von Geburt an nicht hören kann, ist ohne medizinische Hilfe dazu verdammt sein Leben lang „stumm“ zu bleiben. Einigen SchülerInnen ist dieses Schicksal widerfahren. Andere hingegen wurden erst im Laufe ihres Lebens gehörlos oder hören minimal. Diese SchülerInnen können z.T. sprechen, wenn auch sehr wenig und sonderlich.

Die Tansanier in meiner Region sprechen von Kind auf ihre Stammessprache Kihaya. Je nach Wohnort erlernen einige erst mit dem Besuch der Schule die Amtssprache ihres Landes. Die staatlichen Primary Schools von Klasse 1 bis 7 unterrichten auf Swahili.
Einer der Schüler wurde erst mehrere Jahre nach seiner Geburt taub. Als Kind sprach er Kihaya. Noch heute beherrscht er diese Sprache, nicht in Schrift dafür in Form des Lippenlesens. Wenn er Glück hatte, haben seine Eltern Vorerfahrung in der Zeichensprache und konnten ihn schon früh unterrichten. Andernfalls musste er sie mit der Einschulung erlernen. Ebenfalls von diesem Zeitpunkt an lernt er Swahili. Vielleicht beherrschte er diese Sprache bereits vorher in Ansätzen, jedoch keineswegs vollkommen. Nun lernt er eine Sprache, in der er nur Fortschritte erzielen kann, wenn er sich die Reihenfolge der Buchstaben auf dem Papier merkt.

Mit Klasse drei kommt verpflichtend eine weitere Sprache hinzu, Englisch. Mit 14 Jahren kann dieser Junge 4 Sprachen: Kihaya, Zeichensprache, Swahili und Englisch, jedoch keine perfekt. Dennoch ist es eine sagenhafte Leistung Sprachen lediglich anhand des Lesens zu erlernen. Ich würde gerne in seinen Kopf schauen können, um zu verstehen, wie das möglich ist.
Obwohl viele gehörlose SchülerInnen nach erfolgreichem Abschluss ihrer Primary School die Secondary School besuchen möchten, scheitern sie oft. Staatliche Secondary Schools unterrichten auf Englisch, doch das Englisch der gehörlosen SchülerInnen ist meist nicht ausreichend, um hier zu bestehen. Zudem müssen sie sich alles Wissen eigenständig mit Hilfe von Texten aneignen, da es keine gesonderten Schulen für Gehörlose auf diesem Level gibt und die „normalen“ LehrerInnen keine Zeichensprache sprechen.
An der Mugeza Viziwi habe ich gemeinsam mit meinem Mitfreiwilligen Max die Aufgabe die SchülerInnen der Klassen VA und VI in Englisch zu unterrichten. Während dies anfangs nur holprig möglich war, funktioniert es heute Dank unserer SchülerInnen problemlos. Wir übersetzen Texte und Aufgaben gemeinsam in die tansanische Zeichensprache und behelfen uns zwischenzeitlich mit Swahili-Vokabeln und Wörterbüchern, die auf Swahili erklären. Im Vergleich zu Englisch ist die Zeichensprache wortkarg. Viele Wörter werden mit dem gleichen Zeichen erklärt und nicht weiter spezifiziert. Die genaue Bedeutung muss daher dem Zusammenhang entnommen werden, wodurch Missverständnisse unvermeidbar sind. Die Zeichen der Buchstaben des Alphabets sind ebenso wie manch andere Zeichen international. Viele Wörter und Zeichen sind hingegen kulturell geprägt und von Region zu Region, sowie Land zu Land verschieden.
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