KARIBU CHAKULA - TANSANISCHE ESSENSKULTUREN
- jacqueline1909
- Feb 19, 2015
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Karibu chakula ist ein fester Bestandteil einer jeden Mahlzeit in Tansania, denn es gilt als unhöflich eine andere Person nicht zum Essen einzuladen. Wörtlich übersetzt heißt es soviel wie „Willkommen zum Essen“. Nun kann diese Formel leicht missverstanden werden. Dahinter verbirgt sich weder, dass man an öffentlichen Plätzen das Essen jeder Person zahlen muss, noch dass die eingeladene Person den Teller des/der Einladenden leert. Vielmehr ist es eine höfliche Geste untereinander, die je nach Situation unterschiedlich ausgekostet wird. Gehe ich beispielsweise auf dem Markt essen und jemand entgegnet mir: „Karibu chakula!“, bedanke ich mich höflich, setze mich und bestelle mein eigenes Essen. Bin ich zu Gast bei einer Familie, in der selbst gekocht wird, so werde ich mit den selben Worten tatsächlich zum Essen eingeladen und sollte dies auch annehmen, sofern keine schwerwiegenden Gründe dagegen sprechen. Esse ich gemeinsam mit FreundInnen, sei es zu Hause oder an einem anderen Ort, nehmen diese ein „Karibu chakula!“ sehr gerne wortwörtlich und bedienen sich von meinem Teller. Neben den Hauptmahlzeiten gibt es bei der/dem einen oder anderen tagsüber kleinere Snacks, wie Mandasi, Brot, Grashüpfer, Obst, Erdnüsse, Kekse... In diesen Fällen erscheint es als besonders unhöflich, einer Person in unmittelbarer Nähe nichts anzubieten. Natürlich gibt es stets Ausnahmen und jede Situation muss individuell interpretiert werden, dieser Bericht soll jedoch einen groben Überblick über die tansanischen Essensgewohnheiten geben. Manchmal ist es für mich nicht ganz offensichtlich, ob ich jetzt zugreifen darf bzw. soll oder lieber nicht. Durch ein wiederholtes „Karibu!“ wird die Situation eindeutig - zugreifen. Und das sollte ich dann wirklich, denn die Ablehnung von Essen ist unhöflich.
Aber wann, wie, wo und vor allem was isst man denn nun in Tansania? Wer kocht es und was muss ich außer dem „Karibu chakula!“ noch beachten?

Wie auch in Deutschland gibt es in Tansania drei Hauptmahlzeiten: Frühstück, Mittag und Abendbrot. Kaffee und Kuchen am Nachmittag gibt es hier nicht, auch nicht sonntags. Die Essenszeiten sind jedoch im Vergleich etwas verschoben. Die Tansanier frühstücken gegen 9 Uhr. Dazu finden sie sich oft in Gemeinschaften vor dem Haus zusammen. Meist stehen sie jedoch wesentlich früher (vor Sonnenaufgang) auf. Das Mittagessen findet zwischen 13:30 und 15 Uhr statt. Das letzte Mahl nehmen Tansanier in der Regel zwischen 21 und 22 Uhr zu sich. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel, sodass z.B. die SchülerInnen an meiner Schule wesentlich früher frühstücken und zu Abend essen. Traditionell essen Tansanier mit ihren Händen, und zwar nur mit der rechten Hand, da die linke anderen Zwecken, nämlich dem Toilettengang gewidmet ist. Das Händewaschen, oftmals nur die rechte, ist vor und nach dem Verzehr der Speise üblich. Viele sind in der heutigen Zeit zum Besteck übergegangen. Meist genügt jedoch ein Löffel allen Ansprüchen, denn Fleisch wird nach wie vor per Hand verzehrt. Gegessen wird je nach den gegebenen Bedingungen an unterschiedlichen Orten. Während wir in Deutschland gerne auf unseren Esstisch zurückgreifen, ist dieser in tansanischen Häusern eher unüblich. Hier wird in der Regel auf am Boden liegenden Bastmatten drinnen oder draußen oder auf Sesseln und Sofas gegessen. In der Schule haben die Kinder zwei Essensräume mit Tischen und Bänken. Da die meisten Tansanier sehr gläubig sind beten sie vor und/oder nach dem Verzehr. Sobald der Teller vor der Nase steht, beginnt man zu essen, ein 'höfliches Warten' bis jeder etwas hat, kennen hier die wenigsten. Schmatzen und Rülpsen gehören ebenso wie lebhafte Unterhaltungen zu einem guten Mahl. Allgemein essen die Tansanier sehr gerne in Gesellschaft und laden oft zum Essen ein. Die Portionen auf den Tellern sind oft sehr groß und fettig. Meiner Meinung nach hat die Quantität mehr Bedeutung als die Qualität. Vieles wird frittiert oder in reichlich Öl gebraten. Es ist nicht unhöflich Essen auf dem Teller übrig zu lassen. Isst man restlos auf, verkündet man damit vielmehr, dass die Portion nicht groß genug war. In Bukoba sind folgende Speisen sehr typisch: Frühstück: Chapati, Sambusa, Mandasi Mittag: Ugali/Reis/Pilau/Kochbanane, Bohnen/Spinat, Rindfleisch/Tilapia/Dagaa Abend: Chipsi (Pommes), Chipsi Mayai (Omelett mit Pommes) Snacks für zwischendurch: Gonja (gebratene Banane), Grashüpfer, Kitumbua

Fleischkonsum gehört in Tansania zu einer warmen Mahlzeit. Allerdings ist Fleisch teuer, sodass es nur in kleinen Portionen, zubereitet in einer Soße, serviert wird. Am häufigsten wird Rindfleisch verzehrt. Jedoch sind ebenso Huhn, Ziege und vereinzelt unter der nicht muslimischen Bevölkerung Schwein beliebt. Die Tansanier essen alle möglichen Bestandteile des Tieres, von Fleisch über Innereien bis hin zu Knorpel und Fett. Der Viktoriasee bietet zudem ein großes Angebot an Fisch.
Da das Land sehr groß und von unterschiedlichen Landschaften bedeckt ist, unterscheiden sich die Essensgewohnheiten von Region zu Region. In den Regionen um den Viktoriasee, in denen es häufiger regnet ist der Boden sehr fruchtbar. In der Region Kagera, in der auch Bukoba liegt, sind Kochbananen ein traditionelles Gericht. Im Dezember ist hier ebenso Hochsaison für die Grashüpfer. Ganzjährlich gibt es Avocados, Ananas, Papaja und viele weitere Obst- und Gemüsesorten. Auf dem Weg von Bukoba nach Mwanza, den Viktoriasee entlang Richtung Süden, werden die Bananenbäume rar, hingegen grenzt nun Reisfeld an Reisfeld. In einigen Regionen des Landes, wie Dar Es Salaam ist es sehr heiß und trocken. Viele Nahrungsmittel müssen importiert werden. Dafür gibt es bspw. viele Kokosnüsse und Orangen. Ein beliebtes Gericht ist hier Pommes mit Huhn (Chipsi na kuku) aber auch die oben genannten findet man hier.

Sansibar unterscheidet sich hinsichtlich des Essens z.T. sehr stark vom Festland. Während auf dem Festland, abgesehen von Pilau, wenig mit Gewürzen gekocht wird, ist Sansibar eine wahre Gewürzoase. Dies macht sich schon allein im Geschmack des Reis deutlich. Ein klassisches Gericht ist Urojo, eine Suppe die unterschiedlich zubereitet wird. z.B. mit grüner Mangosauce, Brotteig, frittierten Chips, Erdnüssen... Generell sind die Essenstraditionen auf Sansibar aufgrund ihrer Bewohner sehr arabisch geprägt. Unterschiedliche Arten von Chapati und Brot werden am Straßenrand ebenso verkauft wie Datteln. Der abendliche Essenmarkt in Stone Town hält weitere Spezialitäten bereit. Es gibt Kebab, unterschiedliche Fleisch- und Meeresfrüchtespieße (Oktopus, Garnelen, Muscheln, Hummer, Krebs...) und die beliebte Zanzipizza, traditionell mit Fleisch, Käse, Gemüse, Mayo, Ei oder crêpeartig abgewandelt mit Obst und Nutella bzw. in weiteren süßen und herzhaften Variationen.
Wasser ist das übliche und allen Bevölkerungsschichten zugängliche Getränk. Aufgrund der Wasserqualität sollte es jedoch abgekocht sein oder in Flaschen gekauft werden. Täglich gibt es stark gesüßten Tee (Schwarztee, Zitronengras, Ingwer). Sehr beliebt sind ebenso Säfte aus Mango, Avocado... Die Muslime trinken zudem einen espressoartigen sehr starken Kaffee und kulturell bedingt keinen Alkohol Auf Sansibar wird Saft aus Zuckerrohr gewonnen und mit Limetten und Ingwer verfeinert. Eisgekühlt sehr köstlich. An Feiertagen fällt das Essen üppiger aus als normal. Es wird i.d.R. nicht der kostengünstigste Ugali, sondern Reis, Pilau, Gemüse und Fleisch serviert. Nachtisch gibt es soweit es mir bekannt ist nicht. Die Tansanier essen mit wenig Diversität. Der hauptsächliche Grund des Essens ist schließlich die Sättigung.

In Tansania sind i.d.R. die Frauen für die Essensversorgung ihre Familie zuständig. Sie übernehmen sehr häufig das Einkaufen auf dem Markt, das Kochen und Abspülen. Traditionell kochen sie mithilfe von Kohle unter freiem Himmel oder in Außenküchen mit offenem Ofen. Ein elektrischer Herd wird selten genutzt. Dabei werden sie meist von ihren Kindern, besonders den Mädchen unterstützt, die früh lernen im Haushalt zu helfen. Wir besitzen einen Gaskocher und kochen drinnen in unserer Küche. Wenn uns Reis oder Pilau mit Bohnen und Spinat zu langweilig wird, muss „deutsches“ Essen her: Milchreis, Kartoffeln, Kartoffelbrei, Rührei, Erbsen und Möhren, Spaghetti mit Tomaten- oder Spinatsoße, Curry-Kokos-Reis, Guacamole oder gerne auch mal eingeflogene Klöße. Wir sitzen (oft gemeinsam) an unserem Esstisch, essen mit Löffeln oder Gabeln zu Zeiten, die wir aus Deutschland gewohnt sind, warten, bis jeder einen gefüllten Teller vor sich stehen hat, beten nicht, rülpsen nicht, schmatzen nicht. Auch wenn wir viele heimische Traditionen beibehalten haben, das Essen stellt für mich eine der größten Umgewöhnungen hier in Tansania dar.
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