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SCHATTENSEITEN

  • jacqueline1909
  • Oct 29, 2014
  • 5 min read

Dar Es Salaam, eine uns nicht unbekannte Stadt. Hier begann der Traum von Afrika, hier verbrachten wir bisher nur einen Tag und hier fühlte ich mich von Beginn an unwohl. Grund dafür ist nicht nur meine persönliche Abneigung gegenüber Millionenstädten, sondern vielmehr die zahlreichen kriminellen Geschichten, die wir seither gehört haben. Doch es wird der Tag kommen in diese Stadt zurückkehren zu müssen.


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Am 29.10.2014 ist es soweit. Nach 27 Stunden Busfahrt erreichen wir das Dreh- und Angelzentrum Tansanias. Anfangs folgen wir noch den weisen Ratschlägen, die uns mit auf den Weg gegeben wurden. Wir nehmen kein Taxi, weil diese nicht immer sicher sind. Stattdessen warten wir auf ein Daladala, drängeln uns zwischen die vielen Insassen und nehmen das Umsteigen an der Post in kauf. Von hier aus haben wir eine Wegbeschreibung zum Immigration Office, wo wir unsere Work Permit bezahlen wollen.


Doch auf das beschriebene Daladala Richtung Mbagala warten wir vergebens. Wir fragen verschiedene Personen nach dem Weg und jeder von ihnen schickt uns in eine andere Richtung. Zuletzt sprechen wir einen jungen Mann an, ein fataler Fehler. Er wird uns zum Verhängnis...


Anfangs erscheint uns der Tansanier freundlich, plaudert ausgelassen mit mir, bietet uns seine Hilfe an. Gemeinsam warten wir auf das beschriebene Daladala. Nach kurzem erklärt er mir, dass nur wenige in diese Richtung verkehren und ersatzweise günstige Taxen einer bestimmten Marke verkehren, stets in der Farbe silber. Er zeigt sogar auf ein vorbeifahrendes. Nach kurzer Zeit fährt eines der besagten Taxen in Schritttempo vor. Anstatt direkt darauf zuzugehen müssen wir angeblich warten, bis der Fahrer sein Ziel verkündet. Und so geschah es. Gemeinsam mit dem jungen Mann, der angeblich in dieselbe Richtung musste, steigen wir in das Taxi ein und machen uns auf den Weg. Stockender Verkehr, vor uns werden Kokosnüsse verkauft. Plötzlich steigt ein weiterer Fahrgast auf der Rückbank dazu, die mit uns eigentlich schon voll besetzt war. Doch da hier das Stapeln in öffentlichen Verkehrsmitteln Gang und Gebe ist, machen wir uns keine Sorgen. Es folgen nette Gespräche über lauernde Gefahren in der Stadt und Abzockeversuche.

Lukas und Max bemerken hinter uns ein Auto, das uns permanent verfolgt aber im Stau ist dies nicht ungewöhnlich. Immer wieder wird uns beschrieben, dass wir bald da seien und wo das Immigration Office zu finden sei.

Wir biegen in eine Seitenstraße ein, fragen wiederholt nach dem Weg. Nervosität steigt auf. Wir spinnen uns die Geschichte eines Überfalls zusammen - unsere Geschichte - beruhigen uns im nächsten Moment wieder gegenseitig. Vorbei an der Indischen Botschaft biegen wir links in eine unbefestigte Seitengasse und wieder eine. Der Puls steigt. Wir erklären dem Fahrer, dass wir aussteigen wollen, um noch etwas zu essen, dass wir anschließend zu Fuß dorthin gehen. Anfangs noch beruhigend: „Wir fahren euch schon hin“, beginnt von jetzt auf gleich der Ernst des Lebens, wie man ihn nie erlebt haben möchte.

„Max mach die Tür auf!“, schreit Lukas links von mir. Doch es ist zu spät. Die getönten Scheiben fahren hoch, wir hören das Klicken der Türverriegelung, Max wummert mit dem Ellbogen gegen das Fenster, versucht es einzuschlagen. Eine am Straßenrand sitzende Gruppe von Frauen bemerkt das Klopfen, schaut, reagiert aber nicht. Der anfangs nette Man auf dem Beifahrersitz dreht sich langsam Richtung Max, recht von mir. Ein Blick der töten könnte, eine Geste mit der Hand, die Pistole, zwei Worte „Fuck you“ und das symbolische Abfeuern der Kugel. Eine Szene wie aus einem Film. Doch heute mit uns in den Hauptrollen. Für alle weiteren Versuche auf uns aufmerksam zu machen oder dem Auto zu entkommen, ernten die Jungs nur Schläge.

Uns ist der Ernst der Lage bewusst. Doch ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nur auf unsere Wertsachen aus sind und uns nicht ernsthaft verletzen werden. Das ist ihre Masche, die Geschichten kennen wir. Bloß nicht wehren, dann wird alles gut.

Der Beifahrer klettert zu uns auf die Rückbank, setzt sich auf uns. Sie beginnen mit der Forderung nach Geld, wir geben es widerstandslos, doch das ist ihnen nicht genug. Ich habe mein Bargeld zum Glück an unterschiedlichen Orten verstaut. Sie beginnen uns abzutasten, lassen kaum eine Körperstelle aus. Bei Max finden sie das Portemonnaie, nehmen sich Geld und Kreditkarte. Auch meine Bauchtasche entdecken sie. Erst nur den Reisepass, den sie uns glücklicherweise überlassen, später meine Kreditkarte und weiteres Bargeld. Dann ist Lukas an der Reihe. Wieder und wieder werden wir abgetastet.

Nun die Taschen. Erst Max, dann meine, zum Schluss Lukas. Immer wieder tauschen sich die Täter aus, wechseln sich mit Komplizen aus dem hinteren Auto ab, verbieten uns deutsch zu sprechen, beleidigen uns. Die Luft ist erdrückend, stickig und heiß. Der Schweiß tropft. Simulationen von Kreislaufproblemen, Atemnot, Hyperventilation, wir betteln um das Öffnen der Fenster, ernten stattdessen Beleidigungen, die Jungs zusätzlich Schläge. Mich schlagen sie nicht.

Bevor sie meine komplette Tasche auseinander nehmen, gebe ich ihnen wonach sie suchen, mein Handy. Zuvor nahmen sie sich bereits meine Uhr, Kamera und das Ladekabel. Selbst meine Waschtasche durchplündern sie bis auf die Zahnbürstenhülle. Zum Glück habe ich wenigstens meinen Schmuck mit Bedacht zu Hause gelassen. An zwei Orten finden sie mein Bargeld nicht. Darunter glücklicherweise auch die mitgebrachten US Dollar für das Visum.

Wie gierig sie das geklaute Geld untereinander aufteilen, wie Aasgeier. Und immer wieder dieses „motherfucker“. Zum Schluss fordern sie Geld von den Kreditkarten, sagen, dass sie gemeinsam mit uns zur Bank fahren und „Good bless you“, wenn die PINs falsch seien. Danach würden sie uns unsere Karten wiedergeben und uns absetzen. In den Handys notieren wir unsere PIN-Nummern, erst falsche, dann unter Druck die richtigen.

An einer Straßenecke schaue ich zu, wie ein Mann mein Handy in einen Laden bringt. Unsere SIM-Karten, die uns versprochen wurden, sehen wir nicht wieder. An dieser Ecke lassen uns die Täter gehen. Geben uns alles zurück, was sie nicht gebrauchen können und dirigieren uns in eine bestimmte Richtung, zur Hauptstraße. Der Mann, dem wir anfangs vertrauten, stellt sich vor das Nummernschild des Wagens und schaut uns grimmig hinterher. Ein Bild für die Ewigkeit in meinem Kopf.


Und so viele Menschen haben einfach weggeschaut, Schweigegeld gefordert oder mitgemacht. Eine ganze Gruppe, die auf diese Weise offenbar ihren Lebensunterhalt verdient. Und an den Straßenecken stehen sie - vorher habe ich sie kaum registriert - Händler, die gestohlene Wertsachen, wie Handys etc., verkaufen.


Die Polizei scheint in dieser Stadt nahezu machtlos zu sein. Zu hoch ist die Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende Armut, die das Netz der Kriminalität wachsen lässt. Für uns bestehen kaum Handlungsmöglichkeiten. Noch vor der Polizei konnten wir das Sperren unserer Kreditkarten veranlassen und nach der Entgegennahme der Polizeiberichte führt uns unser Weg zur deutschen Botschaft.

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