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EINE HOCHZEIT UNTER BANANENBÄUMEN

  • jacqueline1909
  • Oct 25, 2014
  • 5 min read

Als Max und ich eines Tages zur Schule kommen, erwartet uns eine freudige Überraschung – eine Einladung zur Hochzeit. Keine pompöse Karte, sondern ein schlicht gehaltener kleiner Zettel in schwarzweiß, ausgeschnitten mit einer Zickzackschere mit einem Text auf Kiswahili. Die Namen der Heiratenden kommen uns nicht bekannt vor. Da auf unserer Schule jedoch die meisten Personen nicht mit Namen, sondern ihren persönlichen Zeichen angesprochen werden, vermuten wir dahinter einen Lehrer, dessen Namen wir nicht kennen. Doch mit unserer Vermutung liegen wir falsch. Es ist genauer gesagt nicht einmal eine Einladung, sondern die Bitte für einen Beitrag zu der Hochzeit eines ehemaligen Schülers der Mugeza Viziwi, den wir jedoch noch nie gesehen haben.

Wir wurden nicht extra angeschrieben, weil wir Weiße sind, sondern weil dies der traditionelle Werdegang ist. Verwandte, Freunde, Nachbarn, Bekannte und offensichtlich auch Unbekannte werden im Voraus gebeten sich finanziell an der Hochzeit zu beteiligen, da diese anderenfalls aufgrund fehlender finanzieller Mittel der Familien nicht realisierbar wäre. Auf dem Zettel sind sogar vorgegebene Beträge vermerkt, 10,000 TZS (~5 €) für Single und 20,000 TZS (~10 €) für ein Paar. Diese Beträge variieren jedoch von Mal zu Mal oder werden in anderen Fällen nicht vorgegeben.

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Die Hochzeit findet am 25.10.2014 statt. Ca. 2 Wochen nachdem uns die Bitte für einen Beitrag erreicht und eine Woche nachdem der Bräutigam persönlich das Geld eingesammelt hat. Max und ich wollen unsere erste tansanische Hochzeit nicht verpassen, steuern den erbetenen Betrag bei und nehmen einige Tage vor der Vermählung voller Vorfreude die Einladung entgegen. Dieses Mal in Farbe, verziert und für uns auf englisch übersetzt.

Schnell muss noch ein Kleid her, dass ich extra schneidern lasse, ganz traditionell aus Kitenge. Nun steht uns nur noch ein Problem bevor. Der Ort, Kashasha, liegt irgendwo tief im Dorf, jenseits der viel befahrenen Straßen. Daladalas verkehren nur am Vormittag und kehren am frühen Nachmittag in die Stadt zurück. Mit dem eigenen Pikipiki könnten wir uns verfahren und der Staub der roten Straßen würde unser Outfit schon auf dem Hinweg ruinieren. Die Lehrer unserer Schule fahren angeblich mit dem Schulauto, dies sei jedoch schon voll. Und der Arzt der uns mitteilte, dass er mit seinem PKW zur Hochzeit fahren würde, hat diese plötzlich vergessen.

Am Tag der Hochzeit nehmen wir gegen 9 Uhr ein Daladala ins Dorf und lassen uns pünktlich 10 Uhr, dem eigentlichen Beginn der Zeremonie, an der Kirche, vor der schon einige Gäste warten, absetzen. Wie wir wieder zurückkommen wissen wir noch nicht. Das Brautpaar ist noch nicht zu sehen. Wir gesellen uns zu den tauben Freunden aus Schulzeiten und verfallen in ausgelassene „Gespräche“, sofern es unsere Zeichensprachkenntnisse zulassen.

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11 Uhr beginnt schließlich die Trauung. Bei starkem Regen, der auf das Kirchendach prasselt, verstehen wir kaum ein Wort und auch die Übersetzung auf Zeichensprache begreifen wir nur vereinzelt. Neben dem Ja-Zeichen, der Ringübergabe und den Segenswünschen wird eine Stunde lang gesungen, getanzt und gebetet. Ähnlich wie es bei deutschen kirchlichen Trauungen der Fall ist. Aber eines fehlt – der Kuss! Anschließend werden Fotos gemacht, vom Paar allein, mit Familien, mit Freunden und natürlich mit den Wazungu (Weißen). Gratulationen und Glückwünsche sehe ich kaum. Das Brautauto fährt vor und chauffiert das frisch verheiratete Paar inklusive Trauzeugen zu dem ca. 3km entfernten Haus, wo die Feier stattfindet. Die restlichen Gäste nutzen eigene PKW's oder wie wir das bereitstehende Daladala, das erst losfährt, als wirklich niemand mehr hineinpasst.

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Inmitten von Bananenbäumen stoppt das Taxi. Wir sind da. Ein Haus aus Stein (nicht aus Stroh, wie es sich manche vielleicht gerade vorstellen), vor dem ein Ort zum Feiern geschaffen wurde - blaue Wände aus Folien, ein dazu passendes Dach und ausgelegt mit Heu. Am Kopfende verzieren Männer den Tisch und die Stühle für das Brautpaar, welches bald eintreffen wird. An den Seitenwänden steht jeweils eine Reihe aus Sofas, Sesseln und Stühlen auf dem bereits ein Teil der Gäste Platz genommen hat. Rechts die Männer, links die Frauen.

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Viele beginnen zu der Musik des DJ's zu tanzen. Bevor das Brautpaar eintrifft und die eigentliche Feier beginnt, gibt es etwas zu essen. Gemeinsam mit den ehemaligen Schulkameraden werden wir in einen Raum des Hauses geführt. Er ist leer und mit Heu ausgelegt, ebenso wie alle anderen Räume. Hier und da gibt es zusätzliche eine Bastmatte zum sitzen. Vor der Zimmertür präparieren Frauen das „Buffet“, bringen riesige Töpfe voller Reis, Ndizi, Fleisch und Bohnen. In einer Schlange stellen wir uns an, um unsere Essenswünsche zu äußern und den Teller prall gefüllt zu unserem Platz zu holen. Dazu gibt es eine Flasche Wasser für jeden. Gegessen wird auf dem Boden, mit Händen. Doch nach kurzem werden uns extra Löffel gebracht. Vielleicht weil wir beim Essen mit den Händen doch nicht so einen guten Eindruck machen, wie wir denken!? Oder einfach nur, weil wir Weiß sind...

Zurück am Ort der Feier, staune ich nicht schlecht, als ich bemerke, wie voll es hier geworden ist. Überall verteilt auf dem Boden, dicht nebeneinander, hocken Menschen, alt und jung. Auch sie bekommen nun zu essen. Jedoch nicht im Haus nebenan wie wir, sondern hier an Ort und Stelle. Bald gibt es nur noch Ndizi, keine Bohnen und kein Fleisch mehr. Woher diese Kategorisierung der Gäste rührt, können wir lediglich vermuten. Vielleicht sind dies Nachbarn und Dorfbewohner, vielleicht konnten sie sich den Beitrag nicht leisten. Wir wissen es nicht.

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Nachdem alle Gäste satt sind, wird das Brautpaar mit Beifall in Empfang genommen. Offenbar nach festgelegtem Muster folgen Reden, Vorstellungen der Gäste, Tänze, Glückwünsche und Geschenkübergaben. Aber was schenkt man hier auf einem tansanischen Dorf in der Nähe Bukobas? Vorrangig gibt es Kitenge (traditionelle Stoffe), Geschirr und andere Haushaltsartikel, ebenso Geld, dass in einer Schüssel gesammelt wird. Jedoch ist man nicht moralisch verpflichtet zu schenken, schließen zahlt man im Voraus einen verhältnisweise hohen Betrag für z.T. unbekannte Personen.

Zwischendurch werden alle Gäste mit einem Soda und Erdnüssen versorgt. Gegen Ende der Programmpunkte wird der Kuchen angeschnitten. Traditionellerweise füttern die Gastgeber hier ihre Gäste mit einem kleinen Stück. Jedoch bekommt nicht jeder etwas ab. Max und ich aber schon.

Gegen 17 Uhr ist der offizielle Teil der Feier abgeschlossen. Bald wird es dunkel und wir müssen noch die Heimreise antreten. Gemeinsam mit den anderen Gästen, die zurück in Richtung Stadt müssen, verabschieden wir uns von dem Brautpaar und steigen in das Daladala. Angeblich wird nun die Braut ins Haus geführt und die Gäste beginnen mit Musik und Alkohol zu feiern. Ob es hier auch so ist, wissen wir nicht. Wir stellen enttäuscht fest, dass niemand von den Bediensteten der Schule anwesend war. Nun können wir uns einen Reim auf die Vorgeschichten machen (das Auto ist voll, die Hochzeit habe ich ganz vergessen). Aber warum uns niemand die Wahrheit gesagt hat, bleibt fraglich.


In der Woche nach der Hochzeit werden wir von unserem Headteacher zu einem Beitrag für eine Sendoffparty eingeladen. Diese Art Feier wird im Vorfeld einer Hochzeit von der Familie der Braut ausgerichtet. Auch hierfür ist es üblich um Beiträge zu bitten.

 
 
 

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